
Das Selbstwertgefühl und die Wirtschaft
Unsere Wirtschaft ist geprägt durch „höher, schneller, weiter …“, durch das Wachstumsparadigma. Wir streben nach Wachstum, nach mehr in allen Bereichen. Dies gilt besonders für das Berufsleben und die Wirtschaft überhaupt. Wir beobachten das Streben nach mehr Lohn oder Gehalt, mehr Verantwortung, mehr Einfluss, mehr Umsatz, mehr Gewinn, usw.
Es darf die Frage gestellt werden, inwieweit dies mit Selbstwertgefühl zu tun hat – mit Selbstwertgefühl der Menschen, wie auch vielleicht ein kollektives Selbstwertgefühl.
Ein hohes, solides Selbstwertgefühl zeichnet sich aus durch Selbstakzeptanz, Selbst- achtung, Selbstvertrauen und vor allen Dingen Selbstliebe. Ein Mensch, der stetig in Wettbewerb tritt, den Wettbewerb sucht mit anderen, um sich und anderen etwas zu beweisen, verfügt über diese Eigenschaften gerade nicht ausgeprägt. Wer uneinge-schränkt an sich selbst glaubt, wird kaum den Drang verspüren, anderen etwas beweisen zu müssen.
Menschen im Wirtschaftsleben funktionieren häufig einfach nur. Sie wollen besser oder reicher sein als andere, wollen Karriere machen, Macht erreichen und viel, viel Geld verdienen. Sie verkaufen gewissermaßen ihre Seele an das System und können oft das selbstgebaute Hamsterrad nicht mehr verlassen. Ein Indiz für hohes Selbstwertegefühl ist dies nicht.
Wir beobachten gerade bei Topmanagern ein ausgesprochen starkes Ego. Sie haben einen starken Drang nach Dominanz, werden gerne „Alpha-Männchen“ genannt, wobei sie die Verkleinerungsform „…chen“ wohl eher nicht schätzen. Ein starkes Ego ist gesellschaftlich ein Zeichen von Stärke, aber leider gerade nicht ein Zeichen von starkem Selbstwertgefühl. Wer Macht ausüben will über andere, tut dies nicht aus einem starken Selbstwertgefühl heraus, sondern aus dem genauen Gegenteil. Er kompensiert einen Mangel an Selbstwertgefühl durch Machtausübung.
Orlando Owen bezeichnet ein niedriges Selbstwertgefühl als „Wurzel allen Übels“ und bezieht sich auf den menschlichen, individuellen Bereich. Dieser Ansatz lässt sich auf das Wirtschaftskollektiv analog übertragen.
Die Gier nach Macht und Geld, das Streben nach immer mehr in der Wirtschaft, ohne große Rücksicht auf die Spuren der Vernichtung, die mitunter tief in die Umwelt und das Bewusstsein der Menschen eingegraben werden, ist gerade kein Ausdruck von Wert, allenfalls von Stärke in einem negativen Sinn. Das Bestreben, besser sein zu wollen oder zu müssen als andere, verhindert gerade eine kollektive Suche nach Lösungen für das gemeinschaftliche, friedliche Zusammenleben in gegenseitigem Respekt und gegenseitiger Liebe.
Insofern ist ein ausgeprägtes Ego des Alpha-Männchens in der Unternehmensführung möglicherweise wünschenswert aus der Sicht des renditeorientierten Investors, nicht aber aus der Sicht der Gemeinschaft, die sich nicht nur in finanzieller Sicht weiter entwickeln möchte. Die Menschen wünschen sich, glücklich leben zu Können. Eine gesunde Umwelt gehört dazu.
Es braucht „Unternehmer“ also Männer und Frauen, die voraus gehen – Männer und Frauen mit klaren Visionen von einer neuen Welt – von einer Welt, in der alle Menschen selbstbestimmt und in Frieden leben dürfen – von einer Welt ohne Ausbeutung von Bürgern oder der Natur.
Nur wenn klare Bilder von einer Zukunft in Liebe und Gemeinschaft existieren, kann es gelingen, auch den Weg dorthin zu finden.
Überlassen wir dies nicht den anderen! Wir wissen nicht, welche Interessen sie verfolgen – unsere vermutlich nicht(?).
Den Wandel gestalten – JETZT!
PS: „Alpha-Männchen“ ist natürlich nicht geschlechtsspezifisch gemeint. Das schließt weibliche „Bosse“ ausdrücklich ein.
Ich denke nicht in sexistischen Maßstäben, werde daher bei der „Genderei“ nicht mitmachen. Außerdem würde mir der Begriff „Alpha-Mann:in“ auch nicht so gefallen.